Thetis

Zeit existiert nicht.

Erinnerung an den Schmerz der Thetis, der ihn umgab.

Etwas was geboren war, nach der Begegnung mit dem Nichts.

Etwas was sich nicht trösten liess. Nie wieder.

Stille, weil kein Schmerz grösser sein konnte als dieser.

Nur das Unbehauste liess sich behausen.

Einen Ort schaffen, an dem der Schmerz erträglich wurde.

Ringen mit Kracht

Ich erinnere mich: Anna musste es bereits während der Pandemie auseinandernehmen. Ich las damals mit. Das Buch hinterliess mich ratlos.

Es handelte weder von der Lebensrealität der meisten Menschen die ich kenne, noch vermittelte es irgendwelche Werte.

Außer Leere, das aber nicht im buddhistischen Sinn, sondern in der puren Negierung von Lebens inhalt.

Ich empfand die ganze Handlung als dekadent, ohne Biss, ohne Ziel. Überdruss.

Es ist eine ernst gemeinte Frage.

Warum gehört Faserland zum Kanon?

Ein Buch, dass in meinen Augen das Leben ärmer macht, trost- und hoffnungsloser.

Dienstag mit weißem Haar

Träumte, ich wollte mich durch die  Warschauer Clubwelt tanzen.

Vorher färbte ich mir das Haar. Als ich in den Spiegel sah, war es schlohweiß geworden. Du hast dir das Haar weiß gefärbt, rief Saskia erschrocken.

Ich ging trotzdem in die Nacht. Es waren erstaunlich viele  Mittfünfziger unterwegs. “ Mit dem Haar kannst  du versuchen schon früher in Rente zu gehen, riet mir einer.

Ich tanzte durch die Nacht, bedächtig, aber mit dem Gefühl dem Diktat der ewigen Jugend Widerstand zu leisten.

Auslöser:

Der Wind hatte mir eine Geschichte gebracht: von Reisen, Städten, Landschaften und Hostels.

Waren da auch Menschen in meinem Alter? Der Wind schüttelte den Kopf. Nicht in Hostels. Nicht in Schlafsälen.

Montag mit : “ Schon mal Thomas Mann gelesen?“ – Begegnung

Auf dem Rückweg von Hamburg.

“ Schon mal Thomas Mann gelesen?“

Der Mittvierziger mit Kupfergeld und Bierdose in der Hand, sieht mich (fast) provozierend an.

Ich stehe im Rewe am Bahnhof an der Kasse, Spaghetti und Pesto im Korb. Es ist Sonntag.

In meinem Kopf sortiere ich Platte machen und Buddenbrooks, versuche es in eine Beziehung zu setzen,  antworte irritiert:

Habe ich.

„Was?“

Buddenbrooks.

„Sie sind über die 1000 Seiten Mittagessen hinaus gekommen?“

Merde, denke ich. Welches Mittagesssen? Ist mindesten zehn Jahre her, dass ich das gelesen habe. Stimmt, da war was.

Und selbst?

“ Tod in Venedig. Und mein Mitbewohner den Zauberberg.“

Er bezahlt sein Bier, geht zu der Gruppe Trinkender zurück. Mir fällt Jack London ein.

Montag:

Freier Tag. Plane eine Reise im November, plane deren Finanzierung, lese im Blog.

Geschichtenundmeer lässt sich vom Flieder inspirieren, fährt mit dem Deutschlandtickett in den Botanischen Garten.

https://diegnaedigefrauwundertsich.wordpress.com/

Das nächste Wochenende ist frei, auch ich bin Besitzerin eines Deutschlandticketts.

Ich lasse mich von Geschichtenundmeer inspirieren, buche ein Tickett im Buddenbrookhaus in Lübeck.

Aus dem Bücherregal nehme ich mir Buddenbrooks.

(

„Eine Kollegin berichtete von ihrem Vater, der als junger Mann den von seinen Eltern übernommenen Friseursalon an einen Kneipenkumpel verkaufte, um nach Kanada auszuwandern.“ Andrea Gerk

Zweimal habe ich an dieser Schwelle gestanden. Einmal in Deva./Rumänien.

Ein Haus für Kinder mit Behinderung. Mit dem Zug war ich von einer Freizeit in Kroatien nach Deva gefahren.

Kann Landschaft archaisch sein? Atemberaubend. Fremd. Anders.

  Die alte Frau im Zug, Gesicht zerfurcht wie knorrige Baumrinde, schwarzes Kopftuch, schwarzes Kleid- trank Coca Cola aus der Dose und zog den Kaugummi genüsslich von den Zähnen  hinweg.

Ein Heim für Kinder.

https://www.freunde-waldorf.de/waldorf-weltweit/einrichtungen-weltweit/europa/rumaenien/simeria-hp/

Ich wagte nicht.

Später Sekem/ Ägypten. Auch dort scheute ich im entscheidenden Moment zurück.

Wir entscheiden uns auf unserem Weg, so wie wir es für richtig halten oder wie es uns unsere Ängste gebieten. “ Wer bezahlt meine Krankenversicherung?“, dachte ich damals

Die Träume aber, so ist es bei mir, die im  jungen Erwachsenalter auftauchten, bleiben.

Unerlöst. Vielleicht.

Verwandelt. Vielleicht.

Das Netz zu weben beginnen.  Kein Ausstieg, kein Auswandern, den Alltag verwandeln

Durchgesessen

“ Wir stellen uns den Preis, mal anders zu handeln, meist höher vor als unser Feststecken im längst schon durchgesessenen Leidenssessel.“ Kai Hoffmann

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Als ich auf den Balkon trat, wehte mir der Wind ins Gesicht.

Erzählte Geschichten aus aller Herren Länder.

Ich lächelte dem Wind zum Gruss, schloss die Balkontür, nahm den  Sessel. Inkarnatfarbene verblichene Patina.

Vor dem Haus stellte ich ihn auf.  „Zu verschenken“: heftete ich daran.

Vor der Zeit

Im Frühling Nachtschichten arbeiten.

Ausschliesslich.

Lichtflüchter. Raum aus Stille.

Ein Novemberkind wäre ich  geworden.

Wir vertrugen uns  nicht.  Das wäre nicht zu retten, sagte der Arzt. Und rettete doch.

Vor der Zeit ans Licht.

September.

Unbehaust  das Leben im Glaskasten.

Zu hell, zu laut, zu gläsern.

Vielleicht ist es deshalb so.

Ein Kokon aus Nacht im Frühling.

Lieblingsmonat November

Sonntag mit Morgenroutine- Lesen

Jeden Morgen öffne ich als erstes die Balkontür.

Den Blick schweifen lassen. Kein Haus mehr, nur Bäume. Verborgen,  nicht weit dahinter liegt ein See. Zu Fuß nicht zu erreichen. Im Sommer waren die Drei manchmal mit einem Kajak dorthin aufgebrochen. Dem Flüsschen folgend, das erst in Tielenhemme Fluss genannt werden kann.

Der See verbirgt sich hinter  weiß blühenden Obstbäumen, Fichten, Eichen, Ahornbäumen, Birken.

Vögel singen polyphon. Regen ist gefallen.

Schließe die Tür.

Wie jeden Morgen, seit das Buch hier eintraf,  nehme ich  “ 100 sehr kurze Gespräche“ von Elke Engelhardt zur Hand. Schlage es auf, um ein Zufallsgedicht zu lesen.

„Du musst die Träume von den Bäumen pflücken, sagte mein Vater. Aber du darfst sie nicht anschauen. Leg sie in einen gläsernen Sarg und begrabe sie unter dem Laub des Lebens. Dann musst du warten, sagte er.“

https://elifverlag.de/produkt/100-sehr-kurze-gespraeche-%C2%B7-elke-engelhardt/

Hier ihr ebenso wunderbarer Blog: https://muetzenfalterin.blogda.ch/

Sprache wie diese trägt mich  manchmal durch den ganzen Tag. Tage an denen ich die Welt Welt sein lasse..

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Pflichtteil

Lustlos starte ich ein 10 minütiges workout, um später in die Freundinnengruppe schreiben zu können: 10 min tägliches workout geschafft.

Es geht um das Installieren neuer Routinen. Ideengeber war einer,  der  sich wie Spiderman durch die Stadt bewegt. Zehn Minuten reichen für den Anfang, sagte er, als ich über das Alter lamentierte.

Belohnung.

Kaffee, ein weiteres Buch. Mutterbuch.

Das Kind geht im Italienurlaub verloren und wird von einer schönen, und in sich ruhenden Italienerin zur Polizei gebracht.

Es ist der Höhepunkt eines Urlaubs, in dem der Vater der Mutter immer wieder vorhält, sie sei zu dick. Die Mutter ist zornig , kämpft mit Diäten und Knäckebrot, verschanzt sich hinter Büchern.

Währenddessen sitzt das Kind neben der bildschönen Mariella auf dem Polizeirevier. Die Eltern hatten mit sich selbst zu tun.

“ Seit Mariella mich an die Hand genommen und durch die Stadt zum Revier geführt hatte, seit also klar war, dass ich in Sicherheit war, hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre, sie zur Mutter zu haben. Eine dünne, gut gelaunte Italienerin. Mit der mein Vater entspannt am Strand liegen könnte und die bestimmt niemals, niemals eine Diät machen würde.“

„Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher.

Zum Schluss eine Seite Ilias.

So war der Morgen. Jetzt breche ich zur Arbeit auf.